Was in der
Automobilindustrie bisher als kaum möglich galt, konnte das Team von
Prof. Dr. Hans-Martin Rein (Fakultät für Elektrotechnik und
Informationstechnik der RUB) zusammen mit Wissenschaftlern der Infineon
Technologies AG, München, nun gemeinsam realisieren: Sie haben den
kompletten Oszillator für ein Abstandsradarsystem in Kraftfahrzeugen
erstmals auf einem winzigen Silizium-Chip untergebracht. Hierdurch lassen
sich die Kosten und der Platzbedarf gegenüber herkömmlichen Lösungen
drastisch senken. Eine ausführliche Publikation über diese Oszillatoren
ist kürzlich in der renommierten amerikanischen Fachzeitschrift IEEE
Journal of Solid-State Circuits (Oktober 2004) erschienen.
Silizium-Technologie geeignet
Um die Verkehrssicherheit von Kraftfahrzeugen zu erhöhen, bauen bereits
einige wenige Firmen in ihre Spitzenmodelle vorwärtsgerichtete
Radarsysteme ein, die unter anderem den Abstand zum Vordermann
überwachen. Diese Systeme benötigen abstimmbare Oszillatoren, die bei
einer extrem hohen Frequenz von etwa 77 GHz (1 GHz = 1 Milliarde Hertz)
arbeiten; sie zeichnen sich durch eine stabile Frequenz und hohe
Ausgangsleistung aus. Bisher war man der Meinung, dass die relativ
preiswerten Silizium-Technologien für eine solche Anwendung nicht in
Frage kommen – insbesondere wegen der verhältnismäßig geringen
Durchbruchspannung der Transistoren. Daher setzte man auf teurere
Technologien, die auf sogenannten Verbindungshalbleitern
(Gallium-Arsenid, Indium-Phosphid und andere) basieren.
Spezifikationen erfüllt
Wie die Wissenschaftler von RUB und Infinion zeigen konnten, lassen sich
die erforderlichen Spezifikationen für das Radarsystem auch mit modernen
Silizium-Technologien erfüllen. Ihnen gelang eine besonders kostengünstige
Lösung, da sie – im Gegensatz zu den bisherigen Konzepten mit
Verbindungshalbleitern – den kompletten Oszillator einschließlich
Ausgangsverstärker auf einem einzigen winzigen Chip unterbringen konnten.
Wegen der hohen verfügbaren Ausgangsleistung können nun die Antennen des
Radarsenders direkt angesteuert werden, ohne dass ein zusätzlicher
Verstärkerbaustein benötigt wird.
Genaue Simulation und
Optimierung
Die neue Schaltung wurde von den Bochumer Wissenschaftlern entworfen und
von Infineon Technologies AG, München, in deren neuer hauseigener
Silizium/Germanium-Bipolartechnologie gefertigt. Sie erreicht und
übertrifft sogar die Spezifiktionen, die zuvor nur mit
Verbindungshalbleitern erreicht wurden. Ermöglicht hat diesen Erfolg eine
sehr genaue Simulation und sorgfältige Optimierung der Schaltung, unter
Verwendung eines neuartigen Transistormodells. Dieses Modell, das
ebenfalls in der Bochumer Arbeitsgruppe entwickelt wurde, erlaubt es, die
Grenzen der Silizium-Technologie voll auszuschöpfen und somit
insbesondere die gewünschte hohe Sendeleistung zu erzielen.
In Zukunft breite Anwendung von
Abstandsradar
Der aufgezeigte Weg zur Kostenreduktion lässt erwarten, dass
Abstandsradar zukünftig in großem Umfang in Kraftfahrzeugen eingesetzt
werden wird, was sich günstig auf die Verkehrssicherheit auswirkt. Dieser
Trend dürfte infolge des hohen potenziellen Integrationsgrades von
Silizium-Technologien noch weiter verstärkt werden, der es im Prinzip
erlaubt, den größten Teil der Sende- und Empfangselektronik eines
Radarsystems auf einem einzigen Chip zu integrieren. Dadurch könnten die
Systemkosten noch weiter gesenkt werden. Zum Vergleich: Zur Zeit ist
Abstandsradar wegen des verhältnismäßig hohen Preises nur in den obersten
Klassen einiger Automobilfirmen zu finden.
Titelaufnahme
Hao Li, Hans-Martin Rein, Thomas Suttorp, Josef Böck: Fully integrated
SiGe VCOs with powerful output buffer for 77-GHz automotive radar systems
and applications around 100 GHz, in: IEEE Journal of Solid-State
Circuits, Vol. 39, No. 10, October 2004, pp. 1650-1658
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